Der deutsche Occidentalist

Mitteilungsblatt des deutschen Occidental-Bundes, Günthersleben über Gotha in Thür.

3. Jahrgang — Am 1. Juni 1935 — № 10 (34)


"DAS ESPERANTO WUNDER"

Wir Occidentalisten sind es von jeher gewöhnt, daß die Esperantisten ihre Werbeaufsätze mit reichlich kühnen Behauptungen spicken. Man versucht, den Eindruck zu erwecken, als sei Esperanti die herrlichste Sprachschöpfung auf Gottes weitem Erdboden und selbst Esperantisten sind oft der ehrlichen Überzeugung, es könne wirklich nichts Besseres und Vollkommneres geben als Esperanto. Ein Beispiel dieser esperantistischen Naivität liefert uns ein kürzlich im "Deutschen Esperantisten" erschienener Aufsatz von Oberschulrat Dr. Kraner über "Esperanto und Schule".

Kurz gesagt: "für uns ist Esperanto das, was man in der kaufmännischen Sprache einen "Ladenhüter" zu nennen pflegt. Psychologisch überaltert, sprachlich unmöglich, wirkt Esperanto mit seinen krausen Formen auf uns, wie ein Kraftwagen aus dem Jahre 1900. Um so weniger erfreulich ist es, wenn dieser "Ladenhüter" dem unbefangenen Nichtfachmann mit superlativischen Redensarten "angedreht" wird.

Im Anfange seines Aufsatzes meint der Verfasser, daß der Weg zum Endsieg des Esperanto (!) über die Schulen gehen müsse. Und betrübt stellt er fest: "Wir erfahren auch immer wieder von neuem, daß unserem Bemühen, dem Esperanto dort eine Stätte zu bereiten, die stärksten Widerstände entgegengesetzt werden." Dieser intellektuelle Widerstand gegen das Eindringen des Esperanto in den Schulbetrieb wird Gottseidank nie verschwinden, denn welcher Philologe liesse sich diese Verballhornung europäischen Sprachgeistes als da Ideal einer Weltsprache aufdrängen? Muss nicht jeder Sprachfachmann dem Weltsprachgedanken ein für alle Mal gram werden, wenn ihm gesagt wird, Esperanto sei die Weltsprache und das Non-plus-ultra bewußter Sprachschöpfung?

Wir stellen hier ganz offen und eindeutig fest, daß die von Herrn Dr. Kraner in seinem Aufsatz gegebene Charakterisierung des Esperanto irreführend und in keiner Weise zutreffend ist. Es handelt sich hier um eine Täuschung des unbefangenen Publikums. Wir erinnern nur an die Vernichtende Abfertigung, welche Esperanto vom Sprachsachverständigen des Völkerbundes erfahren hat. Wer das wahre Wesen des Esperanto kennen lernen will, muß in der einschlägigen *nicht-*esperantistischen Literatur nachschlagen. Herr Dr. Kraner behauptet, Esperanto entspräche "....tatsächlich den höchsten an eine Welthilfssprache zu stellenden Anforderungen...". In ihm wäre "Kein Wort, das inbezug auf seine lautliche und inhaltliche Eignung nicht aufs genauste erwogen worden wäre...",.geistvoll und schön..", "..ein immer neu aufsprudelnde Quelle reinen Kunstgenusses.." usw.

Was, Herr Dr. Kraner irreführenderweise vom Esperanto behauptet, das können wir getrost vom Occidental sagen und auch beweisen! Occidental "... wahrt den äusseren und inneren Zusammenhang mit den geschichtlich gewordenen, frei gewachsenen wichtigsten Sprachen des europäischen Kulturkreises. Es stellt eine Weiterentwicklung, Vereinheitlichung und Vereinfachung jener Sprachen dar...".

Jedem Einsichtigen ist es klar, daß die Erlernung des Esperanto das natürliche Sprachgefühl eher verbildet, als schärft und fördert. Manche Volksgenossen verwenden Zeit und Mühe auf Esperanto, weil sie glauben, damit etwas Dauerhaftes und Wertvolles zu erwerben. Sie wissen nicht, daß sie lediglich den Interessen esperantistischer Verleger dienen. Esperanto und die gesamte Esperanto-Literatur gehören in die Rumpelkammer. Eine längere Erklärung dazu erübrigt sich. Wir warnen jeden Volksgenossen, Zeit und Mühe mit Esperanto zu verlieren!

Auskunft über alle Weltsprachefragen und über Occidental erteilt

Emil Kurt Neumann, Dresden-N-6, Görlitzer Strasse 35, oder

der Leiter des Deutschen Occidental-Sprachbundes (German Occidental-Federation), Günthersleben über Gotha in Thüringen.