German Occidentalist

№ 6. 1933.

Mitteilungsblatt des Deutschen Occidental-Bundes, Berlin-Bernau. – Juni 1933.


Vergebliche Mühe...

Durch die deutsche Tagespresse ging vor kurzem die Nachricht, dass in den gelehrten Kreisen Roms eine Bewegung entstanden sei, die den Gebrauch des Latein als Weltsprache wiederbeleben möchte. Das Institut der Römischen Studien betont, daß der Verwendung des Latein auf Kongressen weniger Schwierigkeiten begegnen dürften als der irgend einer anderen Sprache; denn die Kenntnis des Latein sei für jede tiefere wissenschaftliche Bildung unerläßlich, sie werde auch durch die Katholische Kirche verbreitet und sei leichter zu erlernen als manche moderne Sprache [?]. Die Faschistische Partei Italiens unterstützt diese Bestrebungen, da sie alles begrüßt, was die Erinnerung an das alte Rom stärken kann.

Wir als Weltsprachler und Occidentalisten haben nicht viel dazu zu sagen. „Lebensprozesse sind keine umkehrbaren Prozesse,“ sagt Edgar von Wahl, „und Gestorbenes ist nicht wieder lebendig zu machen, darum sind auch die Versuche, das Latein wieder zu neuem Leben aufzuerwecken, allesamt fehlgeschlagen.“ – Aufbau und Wortschatz des Latein gehören einem längst vergangenen Kulturabschnitt an und zwingen uns zu einer durchgreifenden Modernisierung. Jeder kann sich davon überzeugen, daß Edgar v. Wahl in seinem Occidental mit genialer Einfühlung eine Konzentration des heute noch lebenden Latein geschaffen hat, die den Ansprüchen des modernen sprachlichen Lebens in jeder Beziehung gerecht wird. Wer Occidental kennt, weiss, daß damit nicht zu viel gesagt ist.

Ebenso grotesk wirkt es, wenn wir in einer großen deutschen Tageszeitung lesen: „Basic Englisch – Eine neue Weltsprache – ... Seit etwa zehn Jahren arbeitet Professor Ogden von der Universität Cambridge an einer Zusammenstellung des für die alltäglichen Bedürfnisse unumgänglich notwendigen Wortschatzes. Als Grundlage für ein universales Verständigungsmittel empfiehlt er das ‚Basic-Englisch‘, das zunächst von etwa 500 Millionen Menschen ohne weiteres verstanden werden würde. Nach seinen Feststellungen kommt man mit 850 Wörtern aus (600 Substantiva, 150 Adjektiva und 100 Konstruktionsworte), die im Basic-Wörterbuch verzeichnet sind und in der Auswahl fast zu gleichen Teilen germanische und romanische Sprachwurzeln berücksichtigen... Der entscheidende Grundsatz ist die Zerlegung aller komplizierten Begriffe in ihre Grundbestandteile oder ihre Umschreibung durch Elementarwörter. Durch Bedeutungswandel (Begriffserweiterung und Begriffsverengung), durch Erweiterungsmöglichkeiten (Ableitung und Zusammensetzung) lassen sich die Grundworte höchst vielseitig verwenden. Einer Ergänzung durch die international gebräuchlichen Fachausdrücke steht nichts im Wege...“

Wir können der Welt zu diesem Pidgin-Europäisch nur Glück wünschen. Das praktische Leben hat zu oft bewiesen, daß solche Teillösungen des Weltspracheproblems immer mehr oder weniger etwas Dilettantenhaftes an sich haben. So wird wohl trotz aller guten Absichten auch das Basic-Englisch nur auf dem Papier stehen bleiben und sich nicht durchsetzen können. Wäre es nicht besser, sich gleich einer zeitgemässen und wirklich verwertbaren Ganzlösung, wie sie das Occidental darstellt, zuzuwenden, anstatt Zeit und Kraft in der Wiederholung nutzloser Versuche zu verschwenden?

Überall fragt man den Fachmann und lässt sich beraten, und nur in der Weltsprachenfrage experimentiert jeder für sich frisch und fröhlich los, ohne sich erst einmal mit dem vertraut gemacht zu haben, was andere auf diesem Gebiete vor ihm gedacht und geschaffen haben. Wann wird das einmal ein Ende nehmen?

N.